Chronische Rücken­schmerzen, wenn die Seele weint

Wer kennt das nicht: Rückenschmerzen oder Schmerzen im Nacken ohne erkennbare körperliche Ursache. Oft verbergen sich dahinter psychische Verspannungen, die als Reaktion auf beruflichen oder seelischen Stress auftreten. Erfahren Sie hier, welche Symptome psychosomatische Beschwerden begleiten und wie Sie diese lindern können.

Was sind psychische Rückenschmerzen?

Manchmal zeigt sich Stress nicht in Gedanken oder Gefühlen, sondern im Körper. Bleibt innere Anspannung über längere Zeit bestehen, kann sie sich festsetzen, z. B. in Form von Muskelverspannungen im Nacken, den Schultern oder im unteren Rücken. Bleiben diese Beschwerden dauerhaft bestehen, obwohl keine eindeutige körperliche Ursache vorliegt, sprechen Fachleute von psychisch bedingten bzw. psychosomatischen Rückenschmerzen.

Wie entstehen Rückenschmerzen durch Stress?

Anhaltender Stress versetzt das Nervensystem in einen Zustand ständiger Alarmbereitschaft. Das war evolutionär sinnvoll, etwa zur Flucht oder zum Kampf, doch heute bleibt die körperliche Anspannung oft bestehen, obwohl keine akute Gefahr besteht. Und genau darin liegt das Problem: Der Körper kommt nicht mehr zur Ruhe. Die Folge kann eine Kette körperlicher Reaktionen sein, die in chronischen Rückenschmerzen münden:

Anhaltender Stress

Das Gehirn registriert Überforderung, emotionale Belastung oder Daueranspannung, auch unbewusst.

Aktivierung des sympathischen Nervensystems

Der Körper schaltet in den Alarmmodus und schüttet Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol aus.

Muskelanspannung

Die Muskulatur, insbesondere in Nacken, Schultern und Rücken, spannt sich an. Die Atmung wird flacher, die Bewegungsfreiheit nimmt ab.

Verhärtung der Muskulatur

Bleibt die Entspannung aus, können sich die Muskeln nicht mehr erholen. Die Folge sind schmerzhafte Verspannungen.

Bewegungseinschränkung

Aus Angst vor Schmerzen oder durch Unbeweglichkeit werden Bewegungen vermieden. Das führt zu weiterer Verkürzung von Muskeln und dem Einnehmen von Schonhaltungen.

Veränderung der Schmerzverarbeitung

Das zentrale Nervensystem reagiert empfindlicher. Der Schmerz wird stärker bzw. intensiver wahrgenommen, selbst bei geringen körperlichen Reizen.

Chronifizierung

Der Schmerz verliert seinen Warncharakter und wird zum eigenständigen Krankheitsbild, oft begleitet von Erschöpfung, Schlafstörungen oder Stimmungstiefs.

Welche psychischen Ursachen können den Rücken beeinflussen?

Angst, Überforderung, anhaltender Stress oder depressive Verstimmungen können Rückenschmerzen verstärken oder überhaupt erst entstehen lassen – nicht umsonst spricht man in diesem Zusammenhang von „chronischen Rückenschmerzen, wenn die Seele weint“. Die Muskulatur bleibt angespannt, die Erschöpfung wächst, der Schlaf wird unruhig. Viele Betroffene beginnen, Bewegungen zu vermeiden oder ziehen sich zunehmend zurück, aus Sorge, die Beschwerden könnten schlimmer werden. So entsteht ein Kreislauf aus Schmerz, Schonung und seelischer Belastung, der sich ohne Unterstützung nur schwer durchbrechen lässt.

Welche Symptome deuten auf psycho­so­mati­schen Rückenschmerz hin?

Nicht immer lässt sich für Rückenschmerzen eine klare körperliche Ursache finden, besonders dann nicht, wenn die Beschwerden über längere Zeit bestehen. In solchen Fällen lohnt sich ein genauerer Blick: auf die Art des Schmerzes, darauf, wie er sich im Alltag verändert, und auf mögliche seelische Belastungen, die eine Rolle spielen könnten.

 

Hinweise auf psychosomatisch bedingte Rückenschmerzen

  • Keine eindeutige körperliche Ursache trotz anhaltender Beschwerden
  • Wechselhafte Schmerzintensität, abhängig von psychischer Belastung
  • Diffuse oder wandernde Schmerzen, oft schwer zu lokalisieren
  • Verstärkung der Beschwerden in Stresssituationen, Besserung in Ruhephasen
  • Begleitende Symptome wie Erschöpfung, innere Unruhe, Schlafstörungen
  • Vermeidungsverhalten: Betroffene bewegen sich aus Angst vor Schmerz weniger
  • Zunehmende Muskelverspannung und Einschränkung der Beweglichkeit

Psychische Begleiterkrankungen

Chronische Rückenschmerzen belasten nicht nur den Körper, sie wirken sich häufig auch auf die seelische Gesundheit aus. Umgekehrt können psychische Erkrankungen den Verlauf und die Intensität der Schmerzen deutlich beeinflussen. Diese wechselseitige Verbindung ist insbesondere für Schmerzen im Bereich des unteren Rückens gut untersucht.1

  • Depressionen und Angststörungen treten bei Menschen mit chronischen Rückenschmerzen häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.
  • Katastrophisieren, also das gedankliche Übersteigern von Schmerz („Das wird nie besser“), erhöht das Risiko einer Schmerzchronifizierung.
  • Vermeidungsverhalten aus Angst vor Schmerz (z.  Schonhaltungen, Bewegungsvermeidung)2 kann zu Muskelabbau, Verspannung und zunehmender Bewegungseinschränkung führen.
  • Psychische Belastung kann das Schmerzgedächtnis aktivieren: Der Schmerz wird nicht mehr nur durch körperliche Reize ausgelöst, sondern durch emotionale Zustände mitgeprägt.

 

Um Rückenschmerzen wirksam zu behandeln, genügt es also nicht, nur das Körperliche in den Blick zu nehmen, auch emotionale Belastungen und Denkmuster sollten in der Therapie entsprechend berücksichtigt werden.

Wann sollte man mit Rückenschmerzen zum Arzt?

Treten Rückenschmerzen plötzlich auf oder halten länger an, ist eine ärztliche Abklärung sinnvoll, unabhängig davon, wie stark sie empfunden werden. Hausärzte oder Orthopäden prüfen, ob körperliche Ursachen vorliegen, z. B. ein Bandscheibenvorfall, Arthrose, eine Nervenwurzelreizung oder osteoporotische Veränderungen. Auch muskuläre Überlastung, etwa durch langes Sitzen, Bewegungsmangel oder einseitige Belastungen im Beruf, kann Schmerzen verursachen. Ein Arztbesuch ist empfehlenswert, wenn:

 

  • die Beschwerden länger als sechs Wochen bestehen,
  • sie immer wiederkehren,
  • die Schmerzen sich trotz Bewegung oder Übungen nicht bessern,
  • zusätzliche Symptome auftreten, wie Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Kraftverlust.

Warum ist eine Abklärung von Rückenschmerzen wichtig?

Frühzeitige ärztliche Beratung hilft nicht nur, ernsthafte Ursachen auszuschließen, sondern auch, gemeinsam die passende Behandlung zu finden – sei es medizinisch, physiotherapeutisch oder psychologisch unterstützt. In der Anamnese geht es deshalb nicht nur um den Schmerz selbst, sondern auch um Alltagsgewohnheiten, berufliche Anforderungen und das persönliche Belastungserleben.

Welche langfristigen Folgen können psychosomatische Rückenschmerzen haben?

Bleiben Rückenschmerzen, bei denen seelische Faktoren eine Rolle spielen, unbehandelt, können sie sich verfestigen und zu einer eigenständigen Störung entwickeln. Die Beschwerden beeinflussen dann nicht nur den Körper, sondern auch das seelische Wohlbefinden und den Alltag. Mögliche Folgen sind:

  • Chronifizierung des Schmerzes: Der Schmerz bleibt bestehen, auch wenn der ursprüngliche Auslöser nicht mehr vorhanden ist.
  • Reduzierte Belastbarkeit: Körperliche und psychische Erschöpfung führen zu Leistungseinbußen im Alltag und im Beruf.
  • Einschränkung der Lebensqualität: Hobbys, Bewegung und soziale Aktivitäten werden seltener ausgeübt oder ganz vermieden.
  • Psychische Erkrankungen: Erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen und psychosozialen Rückzug.
  • Verfestigung von Schonhaltungen: Langfristige muskuläre Fehlbelastungen und Bewegungsmangel verschlimmern das Schmerzbild.

 

Rückenschmerzen, bei denen seelische Belastungen eine Rolle spielen, lassen sich nicht mit einer einzigen Methode behandeln. Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl körperliche als auch psychische Faktoren in den Blick nimmt. Dafür können u. a. folgende Methoden eingesetzt werden:

Wie behandelt man bei Rückenschmerzen Psyche und Körper?

Körperliche Entspannung

Gezielte Entspannungstechniken helfen, muskuläre Anspannung zu lösen und innere Unruhe zu reduzieren. Bewährt hat sich die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, bei der einzelne Muskelgruppen systematisch angespannt und wieder gelockert werden. Auch ruhige Bewegungsformen wie Yoga, Qigong oder Tai-Chi wirken positiv. Sie fördern die Körperwahrnehmung und helfen, zur Ruhe zu kommen.

Mit gezielter körperlicher Bewegung gegen Schmerzen

Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich nachweislich positiv auf Schmerzen und Stimmung aus. Empfohlen werden zwei bis drei Stunden Bewegung pro Woche, angepasst an die eigenen Möglichkeiten. Ob Spazierengehen, Radfahren, Tanzen oder Schwimmen, wichtig ist, dass die Bewegung Freude macht. Auch ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung unterstützen die körperliche und psychische Regeneration.

Physiotherapie

Physiotherapeuten erstellen ein individuelles Übungsprogramm, welches auf das Beschwerdebild des Patienten abgestimmt ist. Ziel ist es, verspannte Muskelgruppen zu lockern, die Haltung zu verbessern und bestimmte Muskelpartien gezielt zu kräftigen. Auch Maßnahmen wie Massagen oder Akupunktur können unterstützend eingesetzt werden, ersetzen aber nicht die aktive Bewegung.

Stressbewältigung als Therapie

Nicht jeder Stress lässt sich vermeiden. Was man allerdings beeinflussen kann, ist der Umgang damit. Achtsamkeit, gutes Zeitmanagement, das Reduzieren von Multitasking sowie regelmäßige Pausen können helfen, den Alltag zu entschleunigen. Auch Rituale wie bewusste Atempausen oder digitale Auszeiten am Abend können Entlastung schaffen.

Psychotherapie

Wenn sich belastende Gedanken, Sorgen oder negative Denkmuster dauerhaft auf den Körper auswirken, kann eine psychotherapeutische Begleitung hilfreich sein. Bei chronischen Schmerzen sind u. a. die kognitive Verhaltenstherapie und Patientenedukation empfehlenswert.3 Sie unterstützen dabei, mit dem Schmerz anders umzugehen, Denk- und Verhaltensmuster zu verändern und den Alltag wieder aktiver zu gestalten, damit sich die chronischen Schmerzen bessern.

Was kann man präventiv gegen psychische Rückenschmerzen tun?

Sowohl regelmäßige Bewegung als auch das Erlernen von Techniken zur Stressbewältigung können entscheidend dazu beitragen, chronische Rückenschmerzen zu verhindern – jene Schmerzen, die auftreten können, wenn die Seele weint:

  • Regelmäßige körperliche Aktivität, angepasst an die eigenen Möglichkeiten
  • Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Atemübungen
  • Achtsamer Umgang mit Stress, z.  durch Zeitmanagement, bewusste Pausen und digitale Auszeiten
  • Selbstfürsorge im Alltag, etwa durch gesunden Schlaf, ausgewogene Ernährung und soziale Kontakte

Woran erkennt man ein gutes Rehazentrum für psychische Rückenschmerzen?

Es gibt Kliniken für Rehabilitation, die interdisziplinäre Behandlungsprogramme anbieten, welche sowohl körperliche als auch psychische Faktoren berücksichtigen, dazu gehört u. a. die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR). Sie richtet sich gezielt an Menschen mit chronischen Beschwerden, die durch psychische Belastungen, Stress oder innere Anspannung verstärkt werden. Zum Angebot einer solchen Reha gehören beispielsweise:

 

  • Physiotherapie und Bewegungstherapie, um Verspannungen zu lösen und die körperliche Belastbarkeit zu steigern
  • Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelentspannung, Atemtechniken oder achtsamkeitsbasierte Methoden
  • Individuelle psychologische Betreuung, z.  durch Gesprächstherapie oder kognitive Verhaltenstherapie
  • Stressbewältigungstraining und alltagsnahe Strategien zum Umgang mit emotionaler Belastung in verschiedenen Situationen
  • Sozialmedizinische Beratung, etwa zur Wiedereingliederung in die Arbeit oder zur Krankheitsakzeptanz
  • Gesunde Ernährung, um den Körper mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen und Genuss zu fördern

 

Ein zentrales Ziel der VOR ist es, Patientinnen und Patienten zu mehr Selbstwirksamkeit zu führen. Sie lernen, ihre Beschwerden besser zu verstehen, aktiv damit umzugehen und langfristig wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen.

FAQs zu psychosomatischen Rückenschmerzen

Wie erkenne ich, ob meine Rückenschmerzen durch die Psyche verursacht werden?

Bleiben Rückenschmerzen trotz körperlicher Behandlung bestehen, lohnt sich ein Blick auf die seelische Verfassung. Ein Schmerztagebuch kann helfen: Nehmen die Schmerzen im Rücken in stressigen oder emotional belastenden Phasen zu, kann das auf einen psychosomatischen Zusammenhang hindeuten. Auch Begleitsymptome wie Erschöpfung, Ängste, Schlafprobleme oder Rückzug sprechen dafür, dass der Körper leidet, weil die Seele weint.

Wie kann die Psyche körperliche Schmerzen auslösen?

Betroffene chronischer Rückenschmerzen neigen dazu, ihre Beschwerden durch Schonhaltungen oder weniger Bewegung zu bekämpfen, doch das verschlimmert meist die Schmerzen. Depressionen und Angst verstärken das Schmerzempfinden zusätzlich. Negative Gedanken und Grübeln tragen ebenfalls dazu bei. Besser ist es, chronische, psychosomatische Schmerzen zunächst zu akzeptieren und sich in Krankheitszeiten mit Selbstmitgefühl zu begegnen.4

 

 

Quellen

1 Bletzer, J. & Gantz, Simone & Voigt, T. & Neubauer, Eva & Schiltenwolf, Marcus. (2016). Chronische untere Rückenschmerzen und psychische Komorbidität: Eine Übersicht. Der Schmerz. 31. 10.1007/s00482-016-0143-4 https://www.researchgate.net/publication/306009903_Chronische_untere_Ruckenschmerzen_und_psychische_Komorbiditat_Eine_Ubersicht (Letzter Abruf: 04.06.2025)

2 Diezemann, Anke. (2024). Fear Avoidance bei chronischen Rückenschmerzen. Ärztliche Psychotherapie. 19. 75-80. 10.21706/aep-19-2-75. https://www.researchgate.net/publication/380262637_Fear_Avoidance_bei_chronischen_Ruckenschmerzen (Letzter Abruf: 04.06.2025)

3 Manigold, T.; Gantschnig, B. E., Streitberger, K.: „Multiprofessioneller Behandlungsansatz bei chronischen Rückenschmerzen“, In: Zeitschrift für Rheumatologie, 1/2023, https://www.springermedizin.de/rueckenschmerzen/rueckenschmerzen/multiprofessioneller-behandlungsansatz-bei-chronischen-rueckensc/23446968 (Letzter Abruf: 04.06.2025) 

4 IASP: „Psychology of Back Pain”, Juli 2021, https://www.iasp-pain.org/resources/fact-sheets/psychology-of-back-pain/ (Letzter Abruf: 04.06.2025)